Porsche Panamera - Noch tiefer in den Spagat

Im Luxusbereich haben gerade die deutschen Automobilhersteller inzwischen ein Niveau erreicht, das Verbesserungen innerhalb eines Modellzyklus nicht einfach und sehr aufwendig macht. So hat Porsche beim großen Facelift des Panamera vor allem antriebsseitig tief in die Trickkiste gegriffen.

Porsche - das ist in den Augen der meisten Auto-Enthusiasten immer noch mit ,,Sportwagen" gleichzusetzen. Und dies, obwohl die Schwaben inzwischen viel mehr SUV und Limousinen verkaufen als 911er oder Boxster. Aber auch wenn es um den Cayenne oder den Panamera geht, schreiben die Unternehmens-Gene und die Ansprüche der Käufer vor, dass es sich im Wettbewerbsvergleich immer um besonders sportliche Varianten der jeweiligen Fahrzeuggattung handeln muss.
Im Fall des jetzt nach knapp vier Jahren überarbeiteten Panamera ist dies ein durchaus nicht einfach zu lösendes Problem. Denn einerseits muss eine zu Basispreisen von über 90.000 Euro antretende Luxuslimousine aus dem Hause Porsche zumindest einen ähnlichen Komfort bieten wie die Mercedes S-Klasse oder ein 7er BMW, dabei aber andererseits in Optik und Fahrerlebnis deutlich sportlicher auftreten. Das ist seit der Premiere des Modells 2009 auf der Automesse in Shanghai mit den bis drei Generationen Panamera immer gut gelungen.
Keine leichte Aufgabe also für die Spezialisten aus Zuffenhausen, mitten im Modellzyklus einen Panamera so hinzukriegen, dass die zahlungskräftige Kundschaft weiter kauft. Denn naturgemäß haben Designer und Ingenieure selbst bei einem großen Facelift weniger Geld, Zeit und damit Möglichkeiten, das Produkt zu verändern und zu verbessern.
Die Vorgabe war allerdings klar und Thomas Friemuth, der Leiter der Panamera-Baureihe bringt es auf den Punkt: ,,Wir wollten die Bandbreite weiter erhöhen." Gemeint ist damit eben jener Spagat zwischen Komfort und Sportlichkeit, der nochmals vertieft werden sollte.
Im Bereich Sportlichkeit ist da vor allem das Spitzenmodell zu nennen, der Panamera Turbo der zur Unterscheidung von den Vorgänger-Modellen jetzt noch ein zusätzliches ,,S" spendiert bekam. Porsche beließ es nicht bei den sonst üblichen 10 oder 20 PS mehr, sondern rüstet den 4,0-Liter-V8-Benziner um satte 80 PS auf jetzt 463 kW/630 PS nach. Diese geballte Power bekommt man für schwindelerregende 180.000 Euro. Vom gleichen Motor wird auch der GTS angetrieben, der um 20 PS auf 353 kW/480 PS erstarkte und für im Vergleich zum Turbo S nachgerade günstige 137.000 Euro in der Preisliste steht. Unverändert beim Antrieb bleiben die Basismodelle Panamera (91.345 Euro) - einziges Modell ohne Allradantrieb - und Panamera 4 (95.289 Euro).
Wir testeten allerdings jene Variante, deren Vorgänger zurzeit in Europa 60 Prozent Anteil an der Baureihe auf sich vereinigen, den Plug-in-Hybriden Panamera 4S E-Hybrid. Hier arbeitet ein 2,9-Liter-V6-Biturbo (440 PS) zusammen mit einem ins Doppelkupplungsgetriebe integrierten E-Motor (136 PS), was eine Systemleistung von 412 kW/560 PS ergibt. Bis zu 750 Newtonmeter Drehmoment, fast 300 km/h Spitze, ein Standardspurtwert von 3,7 Sekunden - diese Zahlen machen schon deutlich, was die Luxuslimousine bietet.
Wer einen Plug-in-Hybriden nicht wegen der halben Bruttolistenpreisversteuerung kauft, sondern tatsächlich immer Strom nachlädt, so es eben geht, wird sich über die von 14,1 auf 17,9 kWh erhöhte Batteriekapazität freuen. Das reicht nach WLTP je nach Ausstattung und Reifengröße für 49 bis 54 rein elektrische Kilometer.
So wird man einen Panamera allerdings in der Realität kaum fahren. Sinnvoll ist es vielmehr, wenn der Fahrer ständig am Rad dreht. Nicht im übertragenen Sinn, sondern tatsächlich. Denn wie bei den Sportwagen kann man auch hier über einen Drehschalter am Lenkrad zwischen den Fahreinstellungen wählen, hier sind es vier. So wechselten wir auf der Testfahrt ständig zwischen leiser ,,E-Power" in Städten und Dörfern, ,,Hybrid" für die Landstraße und ,,Sport" auf der Autobahn. Das macht auch dank der noch präziseren, aus dem 911er übernommenen Lenkung viel Spaß und schont die elektrischen Reserven für ihren Einsatz dort, wo er sinnvoll ist.
Zudem lässt sich über den Bildschirm natürlich auch eine ,,E-Hold"-Funktion aktivieren, die die Batterie von vornherein schont, etwa, um am Ende einer Fahrt noch elektrische Reserven für die Fahrt durch die Stadt zu haben. Ebenso kann man die Batterie mit der E-Charge-Funktion über den Benzinmotor aufladen, was allerdings unter ökologischen Gesichtspunkten nicht gerade sinnvoll ist.
Wie ökologisch korrekt so ein Porsche Plug-in-Hybrid am Ende überhaupt ist, hängt wie bei allen Fahrzeugen allein von der Disziplin des Fahrers ab. Wer ständig (grünen) Strom nachlädt und Kapazität der Batterie nicht sinnlos auf der Autobahn verfeuert, kann den Panamera tatsächlich einigermaßen ,,sauber" bewegen.
Wer dies beherzigt, fährt ein zwar sehr teures und schweres Auto (2,2 Tonnen Leergewicht), aber eines, das nicht nur den Spagat zwischen Komfort und Sportlichkeit so gut hinkriegt wie kaum ein anderes Fahrzeug, sondern das diesem Dualismus in der Plug-in-Variante bei entsprechend artgerechter Fortbewegung sogar noch einen Schuss elektromobiler Nachhaltigkeit hinzufügt.
Der von uns gefahrene 4S E-Hybrid bleibt nicht der einzige Plug-in. Er schließt vielmehr die Lücke zwischen den beiden bisher angebotenen Varianten mit ,,4 E-Hybrid" (340 kW/462 PS) und ,,Turbo S E-Hybrid" (500 kW/680 PS), deren überarbeitete Versionen in den nächsten Monaten nachgereicht werden.
Noch ein Satz zu den optischen Veränderungen, die dezent ausfallen. Im Rückspiegel sieht der vor dem Panamera Fahrende jetzt immer die vorher nur optional erhältliche sogenannte Sport-Design-Front mit markanteren Lufteinlässen, hinten tragen jetzt alle Panamera-Modelle, auch der längere Executive und der kombiähnlichere Sport Turismo das für Porsche inzwischen typische durchgehende Leuchtenband. Hinzu kommen neue Räder, die ausschließlich in XXL-Formaten von 20 oder 21 Zoll zu haben sind.
Das passt, schließlich präsentiert sich der Panamera nach seiner Überarbeitung mehr denn je als der Überflieger im Luxuslimousinen-Segment. Dabei verzichtet er auf den allerletzten Komfort-Schliff, wie ihn etwa eine S-Klasse bietet, zugunsten einer gewissen Sportlichkeit. Ob man dies jetzt als perfekten Spagat zwischen den Welten oder als nicht ganz ausgewogenen Kompromiss ansieht, ist letztlich Geschmackssache. Wir würden uns eindeutig der ersten Aussage anschließen.



Porsche Panamera 4S E-Hybrid - Technische Daten:
Fünftürige, fünfsitzige Limousine der Oberklasse; Länge: 5,05 Meter, Breite: 1,94 Meter (mit Außenspiegeln: 2,17 Meter), Höhe: 1,43 Meter, Radstand: 2,95 Meter, Kofferraumvolumen: 405 - 1.340 Liter
Plug-in-Hybrid: 2,9-Liter-V6-Biturbo-Benziner + Elektromotor, Systemleistung: 412 kW/560 PS, maximales Drehmoment: 750 Nm bei 1.400 - 4.500 U/min, Allradantrieb, 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, 0-100 km/h: 3,7 s, Vmax: 298 km/h (elektrisch: 140 km/h), elektrische Reichweite (WLTP): 49 - 54 km, Normverbrauch: 2,0 - 2,2 Liter/100 km, Stromverbrauch: 17,4 - 18,1 kWh/100 km, CO2-Ausstoß: 47 - 51 g/km, Abgasnorm: Euro 6d, Emissionsklasse: A+
Preis: ab 126.841 Euro



Kurzcharakteristik:

Warum: einmalige Kombination aus Komfort, Sportlichkeit + E-Mobilität

Warum nicht: das Vergnügen ist arg teuer; die elektrische Reichweite arg knapp

Was sonst: dem Turbo S für noch mehr Geld; warten auf die neue S-Klasse

Wann kommt er: ab Mitte Oktober

Was kommt noch: zwei weitere PHV-Modelle mit 462 und 680 PS Leistung

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